Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum die Zugmaschinen in Amerika einfach deutlich schöner aussehen als in Deutschland? Dort fahren die „Trucker“ nicht nur mit polierten Chromleisten und blinkenden Accessoires über den Highway, auch scheint die Mentalität der Lastwagenfahrer in Amerika generell eine andere zu sein. Das auffälligste Unterscheidungsmerkmal ist jedoch die lange Schnauze, wegen der sich auch der Begriff „Langhauber“ etabliert hat.
Im Film „Didi auf Touren“ bestand Dieter Hallervorden im Jahre 1986 seine aufregende LKW-Fahrprüfung und war seitdem „Lastwagenfahrer“, der Altölfässer durch die Gegend fahren soll. Zwar hatte der Film seinen typischen „Didi“-Charme, aber so cool wie Bruce Willis, der in „Stirb Langsam 4.0“ mit einem LKW dem Kampfjet entkommt, war er lange nicht.
Die grandiosen Vorteile von Langschnauzern
Vor allem sind die Trucker sich einig, dass eine längere Motorhaube automatisch das Gefühl von mehr Sicherheit aufgrund des Plus an Knautschzone ermöglicht. Zudem sind die Motoren und wichtigen Bauteile bei Reparaturen leichter zugänglich. Noch viel wichtiger: Wer manchmal wochenlang auf Tour ist, der braucht Platz. Ein Langschnauzer bietet diese Möglichkeit, denn der Innenraum ist fast so geräumig wie ein Wohnwagen. Die sogenannten Frontlenker verfügen über keinen dieser Vorzüge, besonders das „Kippen“ des gesamten Fahrerhauses bei Wartung und Reparatur macht die festinstallierte Kaffeemaschine fast unmöglich.
Es gab auch schon einmal Langschnauzer in Deutschland
Bis zu den 1950er Jahren waren die Langhauber auch in unserem Land ziemlich oft gesehene Transportmittel auf den Straßen. Der damalige Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm kam jedoch eines Tages auf die verändernde Idee, dass LWKs nur maximal 15 Meter lang sein und dabei nur maximal 24 Tonnen wiegen durften. Diese Verordnung hatte zur Folge, dass sich die Hersteller von LKWs für den deutschen Markt etwas einfallen lassen mussten – die Kürzung fand zu allererst an der Haube statt, um nicht an der Ladefläche sparen zu müssen. Zwar haben die Vereinigten Staaten von Amerika auch gewisse Vorschriften, was die Länge angeht – die betreffen aber nur den Auflieger und nicht die Zugmaschine.
Der Frontlenker kam und setzte sich durch
Auch wenn nun die Fahrer auf den heißen Motoren sitzen mussten und sich aufgrund der fehlenden Knautschzone nicht mehr so sicher fühlten, fand der Frontlenker Einzug in Deutschland und Europa. Nach und nach setzten sich auch ein paar Vorteile bei der Nutzung der neuen Zugmaschinen durch: Ohne lange Hauben waren die LKWs übersichtlich und deutlich komfortabler und wendiger zu rangieren. Zudem dürfen die Transportmittel heute auch schon wieder 18,75 Meter lang und 40 Tonnen schwer sein – verbunden mit dem guten Handling sind das genug Gründe für viele europäische Unternehmen, erst einmal nichts am bestehenden Fuhrpark zu ändern.
Auch Russland steht auf „lange Schnauzen“
In Russland waren Langhauber seit Anfang der 2000er sehr beliebt und wurden in Massen aus den USA importiert, um auf den weiten Straßen Waren und Güter hauptsächlich aus der Moskauer Region im ganzen Land zu verteilen. Mittlerweile haben aber auch hier die Frontlenker die Oberhand gewonnen. Was in Deutschland übrigens bereits zum Alltag gehört, ist in Russland für meisten Fahrer noch völlig inakzeptabel: Frauen am LKW-Steuer sind offiziell in Russland eigentlich noch nicht erlaubt. Jedoch wissen viele findige Transportunternehmer dieses Gesetz aus Sowjetzeiten zu umgehen.
LKW-Tuning und Aprilscherze
Es ist zwar sicherlich nicht die günstige Lösung, wer aber dennoch auf bis zu zwei Meter lange Hauben steht, kann sich diese an seinen Scania-Truck transplantieren lassen. Die Firma Vlastuin Truck & Trailservice baut die normalen Frontlenker für das richtige Sparbuchvermögen um. Dass der Bedarf da ist, merkt nicht nur der Umbauer, sondern auch das Portal Eurotransport. So ließen sich die Kollegen der Redaktion schon 2016 einen kleinen Aprilscherz zum Thema einfallen, der sehr gut ankam.
Scherz beiseite: Ist ein Comeback der Langhauber in Europa möglich?
Die EU-Richtlinie 96/53, die aber dem 1. September 2020 in Kraft tritt, ermöglicht den Herstellern zumindest einen Spielraum von 90 Zentimetern, die die Kabine länger werden darf. Wie dieser Platz effizient genutzt werden kann, unterliegt momentan ausschließlich Spekulationen, eine Toilette an Bord ist genauso denkbar wie eine Dusche oder die Nutzung für CO₂-ärmere Alternativantriebe. Wahrscheinlich wird es jedoch eher auf abgerundete Kabinen hinauslaufen, wie die Verkehrsrundschau vermutet.
Es ist sowohl vom Design als auch vom Platz einiges in Bewegung bei der Produktion von Lastkraftwagen. Jeder Logistikinteressierte dürfte gespannt sein, wie sich das Aussehen der Transporter auf den Straßen wohl langfristig verändern wird. Eins dürfte jedoch sicher sein: Optimus Prime wird wohl nicht gleich dabei sein…