Skip to content
Bild eines modernen LKWs auf einer Autobahn bei sonnigem Wetter, parallel zu einem fahrenden Güterzug auf einer Bahnstrecke

Güterverkehr auf die Schiene – Mythos oder Möglichkeit?

Klimaschutz, Verkehrswende, Versorgungssicherheit – kaum ein Thema wird in der deutschen Infrastrukturpolitik so intensiv diskutiert wie die Zukunft des Güterverkehrs. Besonders eine Forderung rückt dabei immer wieder in den Fokus: Die Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene. Doch ist das wirklich realistisch – oder nur ein politischer Wunschtraum?In diesem Beitrag werfen wir einen kritischen Blick auf die Argumente, Herausforderungen und Perspektiven der Bahn im Güterverkehr – und klären, welche Rolle der LKW in der Logistik von morgen wirklich spielen wird.

Warum soll der Güterverkehr auf die Schiene verlagert werden?

Die Motivation für diese Forderung ist nachvollziehbar – sie beruht auf mehreren gesellschaftlich und politisch hoch relevanten Zielen:

Reduktion von CO₂-Emissionen

Die Bahn gilt als klimafreundlicher Verkehrsträger. Pro Tonnenkilometer verursacht sie deutlich weniger Emissionen als der LKW. In Zeiten von ESG-Berichtspflichten, Klimazielen und Nachhaltigkeitsstrategien ist das ein starkes Argument – insbesondere für Unternehmen, die ihre ökologische Bilanz verbessern wollen oder müssen.

Entlastung der Straßeninfrastruktur

Der Zustand vieler Straßen und Brücken in Deutschland ist kritisch – das zeigt sich exemplarisch in Bremen, wo aktuell keine einzige Weserbrücke vollständig belastbar ist. Eine Verlagerung auf die Schiene könnte den Straßenverkehr und damit die Infrastruktur entlasten.

Politisches Signal der Verkehrswende

Für viele politische Akteure ist die Bahn mehr als nur ein Verkehrsmittel – sie ist ein Symbol für eine „grüne“, zentral gelenkte Verkehrswende. Die Förderung der Schiene steht somit auch für ideologische Leitbilder und politische Zielsetzungen.

Versorgungssicherheit & Energieunabhängigkeit

Da der Bahnverkehr in Deutschland größtenteils elektrifiziert ist, wird er als potenziell unabhängiger vom Ölpreis betrachtet – ein strategischer Vorteil, insbesondere in geopolitisch unsicheren Zeiten.

Warum die Bahn (noch) keine echte Alternative ist

Trotz aller Vorteile sieht die Realität im Güterverkehr jedoch oft ganz anders aus. Die Bahn kämpft mit strukturellen Problemen, die eine echte Verlagerung erschweren – oder sogar verhindern.

Unzuverlässigkeit und Infrastrukturmangel

Jahrzehntelanger Investitionsstau, veraltete Technik, überlastete Strecken, zahlreiche Baustellen – all das führt zu massiven Problemen in der Planungssicherheit. Für viele Verlader ist die Bahn schlicht nicht zuverlässig genug.

Trassenkonflikte mit dem Personenverkehr

Personenzüge haben auf dem Schienennetz Vorrang – was für den Güterverkehr zu erheblichen Verspätungen, Umleitungen und Wartezeiten führt. Gerade bei zeitkritischen Lieferungen ist das ein ernstzunehmender Nachteil.

Fehlende Gleisanschlüsse

Nur wenige Unternehmen verfügen über einen direkten Gleisanschluss. Die meisten Transporte benötigen deshalb einen Vor- und Nachlauf per LKW – was Zeit, Geld und CO₂ kostet und den Vorteil der Bahn oft wieder neutralisiert.

Hoher Handlingaufwand

Die Umladung zwischen verschiedenen Verkehrsträgern erhöht nicht nur die Kosten, sondern auch das Risiko von Transportschäden. Just-in-Time-Logistik oder Lieferungen auf Palettenbasis sind unter solchen Bedingungen kaum praktikabel.

Lange Transportzeiten

Gerade auf nationalen oder regionalen Relationen ist die Bahn oft deutlich langsamer als der LKW – ein klarer Wettbewerbsnachteil in einer Welt, in der Geschwindigkeit und Flexibilität entscheidend sind.

Auch aus unserer eigenen Praxis können wir berichten: Wir haben im Auftrag unserer Kunden bereits mehrfach die Bahn als mögliche Alternative zum LKW kalkuliert. In sämtlichen Fällen verlief die wirtschaftliche Bewertung zugunsten des LKWs. Selbst wenn die Kostendifferenz gering war, fiel die Entscheidung der Kunden am Ende stets für den LKW – aufgrund seiner höheren Zuverlässigkeit und flexibleren Einsatzmöglichkeiten.

Interessant ist dabei: Auch wenn wir dem Kunden sämtliche organisatorischen Aufgaben rund um Abholung, Vorlauf und Zustellung abgenommen haben, blieben genau diese logistischen Schnittstellen die Schwachstellen im System. Denn je mehr Glieder eine Transportkette hat, desto mehr kann auch schiefgehen – von Verspätungen bis hin zu Transportschäden.

Fazit: Je öfter eine Sendung umgeladen werden muss, desto höher ist das Risiko für Schäden, Verzögerungen und operative Probleme. Ein Risiko, das viele unserer Kunden verständlicherweise nicht bereit sind einzugehen.

Angesichts der aufgezeigten Herausforderungen ist es kaum verwunderlich, dass sich die politisch gewünschte Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene nicht in dem Maße realisiert, wie es erhofft wurde. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Der Anteil der Bahn am EU-weiten Güterverkehr lag im Jahr 2023 lediglich bei 17 %. Die Binnenschifffahrt kam auf 5 %. Im Gegensatz dazu nimmt der Straßengüterverkehr weiter zu: Wurden 2013 noch rund 74 % des Güterverkehrs auf der Straße abgewickelt, waren es 2023 bereits 78 %. Diese Entwicklung zeigt deutlich, dass der LKW nicht nur aufgrund von Gewohnheit, sondern vor allem aus Gründen der Effizienz, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit weiterhin das Rückgrat der europäischen Logistik darstellt.

Die Stärke des LKWs – heute und in Zukunft

Elektrifizierung schreitet voran

Moderne E-LKWs erreichen bereits beachtliche Reichweiten. Die Ladeinfrastruktur wird sukzessive ausgebaut, und mit jedem Jahr schrumpft der ökologische Vorsprung der Bahn.

Autonomes Fahren als Innovationstreiber

Autonome LKWs könnten die Personalengpässe in der Logistik lösen und ermöglichen durchgehende Transporte ohne Pausen – ein massiver Effizienzgewinn, insbesondere auf Fernstrecken.

Wirtschaftlichkeit bei kleineren Sendungen

Die Bahn lohnt sich vor allem bei großen, planbaren Volumen. Für kleine und mittelständische Unternehmen mit Teilladungen, individuellen Terminen oder direkter Kundenzustellung bleibt der LKW klar im Vorteil.

Der menschliche Faktor: Warum sich Zukunft nicht planen lässt

Immer wieder zeigt die Geschichte, dass Prognosen über die Zukunft technischer Entwicklungen oft danebenliegen. Beispiele gefällig?

  • „Das Auto wird sich nicht durchsetzen – es gibt zu wenige Kutscher.“
  • „Ich denke, es gibt weltweit Bedarf für vielleicht fünf Computer.“ (angeblich IBM, 1943)
  • „Mobiltelefone? Ein Spielzeug für Yuppies!“

Diese Fehleinschätzungen zeigen: Zukunft entsteht durch Innovation, Unternehmertum und Wettbewerb – nicht durch staatlich verordnete Planwirtschaft. Subventionen können helfen, aber sie ersetzen keine echte Marktlogik.

Fazit: Die Bahn ist eine Ergänzung – kein Ersatz

Für große Unternehmen mit stabilen Lieferketten und planbarem Volumen kann die Bahn ein sinnvoller Bestandteil im Logistik-Mix sein – insbesondere im Kombinierten Verkehr (Schiene + Straße).

Für viele mittelständische Betriebe ist der LKW jedoch aus wirtschaftlichen und praktischen Gründen alternativlos.

Ein kompletter Ersatz des LKWs durch die Bahn ist in der heutigen und absehbaren Realität nicht machbar – und wäre für viele Verlader ein Rückschritt in Sachen Flexibilität, Wirtschaftlichkeit und Innovation.

🚛 Unsere Expertise – Ihr Vorteil

Sie planen einen zuverlässigen, effizienten und flexiblen Transport? Wir unterstützen Sie gerne mit unserer langjährigen Erfahrung in der reibungslosen Abwicklung von LKW-Transporten – national wie international.

Gleichzeitig prüfen wir für Sie auf Wunsch weiterhin alle potenziellen Alternativen wie den Bahntransport – objektiv, realistisch und individuell auf Ihre Anforderungen abgestimmt.

Lassen Sie uns gemeinsam die beste Lösung für Ihre Logistik finden. Sprechen Sie uns einfach an!

Weitere Artikel aus dem OCS-Blog