Letzte Woche hat die EU‑Kommission einen wegweisenden Vorschlag eingebracht: Die Mautbefreiung für E-Lkw soll bis ins Jahr 2031 auf nationaler Ebene ermöglicht werden. Und damit wird kein direkter Geldtopf aufgemacht – es handelt sich nicht um eine Subvention im klassischen Sinne –, und doch setzt dieser Schritt ein starkes Signal: Wer jetzt umsteigt, kann unter Umständen bares Geld sparen. Denn Speditionen sind effizientgetrieben: Wenn es günstiger ist, wird es gemacht. Die geplante Mautbefreiung kann genau dafür sorgen – sie senkt die Betriebskosten signifikant und macht den Umstieg auf batterieelektrische Lkw wirtschaftlich attraktiv.
Mautbefreiung – ein smarter Anreiz, statt Subvention
Viele denken bei Förderung sofort an Zuschüsse – Geld fließt. Doch die EU-Strategie sieht anders aus: Sie entlastet durch Mautbefreiung, vermeidet ineffiziente Kapitalverteilung und gleichzeitige Bürokratie. Die Botschaft ist klar: “Investiere, und profitiere langfristig!” Das stärkt die Kaufbereitschaft.
Doch wie groß ist das Sparpotenzial tatsächlich? Lassen Sie uns das Beispiel einer typischen Spedition in Deutschland durchrechnen.
Mautersparnis für deutsche Spedition im Güterverkehr
Das zentrale Instrument, um den Umstieg auf batterieelektrische Lkw zu fördern, soll also die Mautersparnis sein – und genau das macht diesen Ansatz so wirkungsvoll. Anders als klassische Förderprogramme, bei denen Unternehmen zeitaufwändig Anträge stellen, Nachweise einreichen und auf Bewilligungen warten müssen, funktioniert die Mautbefreiung einfach, automatisch und unbürokratisch. Sie greift direkt bei der Nutzung und reduziert so laufende Betriebskosten, ohne dass zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht. Gerade in einem stark getakteten Speditionsalltag ist das ein entscheidender Vorteil – denn nicht jedes Unternehmen hat die personellen Ressourcen, sich intensiv mit Förderrichtlinien und Antragsverfahren zu beschäftigen.
Beispielrechnung
Um das Potenzial greifbar zu machen, lohnt sich ein Blick auf ein realistisches Rechenbeispiel: Ein typischer Schwer-Lkw im nationalen Güterverkehr fährt jährlich etwa 100.000 Kilometer. Davon entfallen – in einem typischen Streckenmix in Deutschland – rund 80 % auf mautpflichtige Straßen, also 80.000 Kilometer pro Jahr.
Seit Juli 2024 gelten in Deutschland neue Mautsätze, die je nach Gewicht, Emissionsklasse und Achszahl variieren. Für moderne Fahrzeuge der Klasse Euro VI mit vier Achsen liegt der Satz aktuell bei etwa 0,316 Euro pro Kilometer. Rechnet man diesen auf die mautpflichtige Jahresleistung hoch, ergibt sich eine jährliche Belastung von 25.280 Euro pro Fahrzeug.
Fällt diese Summe durch den Wechsel auf einen batterieelektrischen Antrieb weg, bedeutet das für jedes eingesetzte E‑Fahrzeug eine jährliche Einsparung in genau dieser Höhe – und das voraussichtlich bis Ende 2030, sofern der EU-Vorschlag wie geplant in nationales Recht umgesetzt wird.
Für Unternehmen, die in einer ohnehin angespannten Kostenstruktur nach Optimierungsmöglichkeiten suchen, ist diese Entlastung ein klares Argument mit wirtschaftlicher Logik. Denn Speditionen entscheiden nicht nach Ideologie, sondern nach Effizienz. Und: Wenn eine Technologie wie der E‑Lkw im Alltag funktioniert und sich gleichzeitig rechnet, dann kommt der Wandel ganz von selbst.
Betriebskosten im Alltag – Strom schlägt Diesel
Neben der Mautbefreiung ist vor allem ein Faktor entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg von Elektro-Lkw: die Betriebskosten. Und hier zeigt sich bei genauer Betrachtung ein überraschend deutlicher Vorteil – insbesondere dann, wenn Unternehmen auf eigene Ladeinfrastruktur setzen.
Ein typischer E-Lkw verbraucht auf 100 Kilometern rund 100 Kilowattstunden Strom. Bei einer jährlichen Fahrleistung von 100.000 Kilometern ergibt das einen Energiebedarf von 100.000 kWh pro Fahrzeug. Wenn – wie bei vielen Speditionen mit festem Standort – etwa 80 % dieses Bedarfs im eigenen Depot geladen werden kann, lassen sich die Stromkosten erheblich senken. Für die eigene Erzeugung oder den Bezug über langfristige Verträge werden in der Praxis etwa 15 Cent pro Kilowattstunde kalkuliert. Für die verbleibenden 20 %, gehen wir hier einfach davon aus, dass an öffentlichen Ladepunkten nachgeladen werden muss. Die Kosten hierfür veranschlagen wir hier mit rund 50 Cent pro Kilowattstunde.
Rechnet man diese Mischung durch, ergeben sich Stromkosten in Höhe von 12.000 Euro (für die 80.000 kWh im Depot) und 10.000 Euro (für die restlichen 20.000 kWh unterwegs). In Summe also rund 22.000 Euro pro Jahr und Fahrzeug für Energie.
Zum Vergleich: Ein konventioneller Diesel-Lkw verbraucht im Fernverkehr etwa 28 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Bei 100.000 Kilometern Jahresfahrleistung kommt man auf rund 28.000 Liter. Bei einem durchschnittlichen Dieselpreis von 1,50 Euro pro Liter ergeben sich jährliche Kraftstoffkosten von 42.000 Euro – mehr als doppelt so viel wie beim Elektro-Lkw.
Die Einsparung bei den Energiekosten allein liegt also bei etwa 20.000 Euro pro Jahr und Fahrzeug. Kombiniert man diese Zahl mit der zuvor berechneten Mautersparnis von rund 25.280 Euro, ergibt sich ein beeindruckender Gesamtvorteil: Rund 45.000 Euro jährlich bleiben bei einem Elektro-Lkw im besten Fall mehr in der Kasse – und das wohlgemerkt ohne Berücksichtigung weiterer Effekte wie geringerer Wartungskosten, begeisterte Fahrer oder positiver Imagewirkung.
Diese Zahlen sprechen eine klare Sprache: Wer strukturell vorbereitet ist und Lademöglichkeiten am eigenen Standort schafft, kann mit einem batterieelektrischen Lkw nicht nur ökologisch, sondern auch betriebswirtschaftlich punkten. Es ist kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen den Einstieg wagen – die Rahmenbedingungen dafür waren selten so günstig wie jetzt.
Wo der Wandel noch stockt: Infrastruktur & Stromherkunft
So überzeugend die wirtschaftlichen Argumente für den E-Lkw auch sind – ein echter Durchbruch gelingt nur, wenn auch die äußeren Bedingungen mitwachsen. Und genau hier liegt aktuell noch eine der größten Herausforderungen.
Ein zentrales Problem ist der massive Parkplatzmangel für Lkw. Je nach Quelle fehlen in Deutschland zwischen 20.000 und 23.000 Stellplätze – besonders entlang wichtiger Transitachsen und in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet. Die Folge: Immer häufiger müssen Lkw auf Standstreifen oder Zufahrten pausieren – ein Zustand, der nicht nur unbequem, sondern akut sicherheitsgefährdend ist. Wer jemals mit hoher Geschwindigkeit an einem stehenden Lkw auf dem Seitenstreifen vorbeigefahren ist, kann sich vorstellen, wie riskant solche Situationen für die Fahrer werden – ganz zu schweigen von den gesetzlichen Ruhezeiten, die unter solchen Bedingungen kaum erholsam eingehalten werden können.
Hinzu kommt: Ohne Parkplatz kein Ladepunkt. Während Depotladungen bereits heute gut funktionieren – vor allem bei regionalen Touren – ist der Aufbau einer leistungsfähigen Ladeinfrastruktur entlang der Fernverkehrsrouten bislang nur punktuell erfolgt. Gerade in urbanen Regionen wie Frankfurt sind viele Stellplätze ohnehin überlastet – freie Parkflächen mit Schnellladefunktion für E-Lkw sind praktisch nicht existent. Ohne gezielte Investitionen in sogenannte High-Power-Lader entlang der Hauptachsen wird der batterieelektrische Fernverkehr nur schwer skalierbar bleiben.
Wie grün ist der Strom wirklich?
Ein weiteres Thema, das in der Diskussion oft zu kurz kommt, ist die tatsächliche Herkunft des Stroms, der die E-Lkw antreibt. Zwar liegt der Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Strommix mittlerweile bei rund 50 Prozent, doch das allein garantiert noch keine durchgängig saubere Versorgung.
In Phasen mit hohem Verbrauch – etwa in den Abendstunden oder bei Windflauten – muss weiterhin auf Strom aus fossilen Quellen zurückgegriffen werden. Das bedeutet: Auch ein E-Lkw verursacht CO₂-Emissionen, wenn er in solchen Momenten geladen wird – nur eben nicht am Auspuff, sondern indirekt über den Energiemix. Die durchschnittlichen Emissionen pro Kilowattstunde schwanken entsprechend deutlich und reichen in kritischen Zeiten weit unter das grüne Potenzial, das in der Technologie eigentlich steckt.
Deshalb gilt: Je grüner der Strom, desto umweltfreundlicher der E-Lkw-Betrieb. Wer im eigenen Depot mit Solarstrom arbeitet oder gezielt Ökostromtarife nutzt, kann den ökologischen Fußabdruck seiner Flotte deutlich reduzieren – und das nicht nur in der Außenwirkung, sondern messbar in der Klimabilanz.
Das Jahr der Entscheidung: Warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist
Der Druck, nachhaltige Lösungen im Straßengüterverkehr zu etablieren, wächst – politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Gleichzeitig war die Ausgangslage für Unternehmen selten so günstig wie heute. Denn die Kombination aus wirtschaftlichen Vorteilen, technologischer Reife und politischem Rückenwind macht den Umstieg auf E‑Lkw attraktiver denn je.
Was derzeit für die Entscheidung spricht:
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Mautbefreiung bis 2031: rund 25.280 € Ersparnis pro Jahr und Fahrzeug
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Günstigerer Energieeinsatz: bis zu 23.000 € pro Jahr bei Depotladung
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Mehr Fahrkomfort & Flexibilität: geräuscharmes Fahren, Standklima, Nachtfahrten möglich
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Technologieoffenheit: Marktöffnung über Anreize statt Verbote
Dem gegenüber stehen jedoch auch klare Hausaufgaben:
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Ladeinfrastruktur entlang des Fernverkehrsnetzes muss zügig ausgebaut werden
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Parkplatzmangel bleibt kritisch – 20.000 bis 23.000 neue Stellplätze sind ohnehin nötig – die fehlende Ladeinfrastruktur noch gar nicht mitgerechnet
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Strommix muss langfristig grüner werden, um die volle Umweltwirkung zu entfalten
OCS-Kompass: Warum wir daran glauben
Für uns bei OCS ist klar: E‑Lkw sind technologische Innovation und Umweltschutz in einem. Doch nur mit intelligenten politischen Tools wie der Mautbefreiung entsteht der nötige Bewegungsanreiz. Wir begrüßen diesen Schritt der EU-Kommission ausdrücklich.
Gleichzeitig setzen wir auf Technologieoffenheit: Dort, wo E‑Lkw (noch) nicht wirtschaftlich oder technisch sinnvoll sind – wie im europäischen Fernverkehr ohne Ladeinfrastruktur oder nur zu deutliche unwirtschaftlichen Preisen – könnten andere Optionen (z. B. Wasserstoff- oder Hybridlösungen) langfristig Sinn machen.
Schlusswort
Mit der Mautbefreiung für E‑Lkw tritt die EU einen Schritt in Richtung nachhaltiger Verkehrswende. Die Kombination aus finanziellen Einsparungen, Fahrerkomfort und Öko-Impact ist überzeugend – vorausgesetzt, Politik und Wirtschaft liefern Ladeinfrastruktur und Parkraum nach.
Für OCS ist das mehr als eine Trendwende – es ist strategische Zukunftsgestaltung. Wir setzen auf die kluge Verbindung aus elektrogetriebenem Transport, grüner Energie und marktorientierten Impulsen. Der Wandel gelingt nicht durch Verbote, sondern durch Chancen – und diese Chance ist mit dem jetzigen EU-Vorschlag deutlich gewachsen.