Nationalfeiertage

In Polen wird am 11. November 2019 wieder einmal der polnische Unabhängigkeitstag gefeiert. Seit 1937 ist dieser Nationalfeiertag für unsere direkten osteuropäischen Nachbarn ein ganz besonderer Tag im Kalender. Anlass ist die Wiedererlangung der Unabhängigkeit des Landes, die bis 1918 durch die Teilung durch Preußen, Österreich-Ungarn und Russland beeinflusst wurde. Doch warum feiert man in Deutschland den Tag der deutschen Einheit im Gegensatz zu Polen so verhalten? OCS hinterfragt.

Gott ehre Vaterland: Als im vergangenen Jahr der 100. Unabhängigkeitstag in Warschau gefeiert wurde, unterlag der Staatsakt zu den Feierlichkeiten einer aufgeheizten Stimmung. Mit einer riesigen Demonstration beteiligten sich rund 200.000 Menschen an einem Marsch durch die Stadt – Organisatoren waren rechtsextreme Kräfte. Vor allem die junge polnische Bevölkerung steht hinter der Aussage „Gegen ein weltoffenes Polen – bloß keine Einwanderung!“ Doch es gilt hierbei, aufzupassen. Nichts spricht dagegen, für sein Land einzustehen und sich mit seinem persönlichen Patriotismus zurückzuhalten. Dennoch bekommt man das Gefühl, die Grenzen zwischen Heimatgefühl und Nationalismus sind fließend und nur schwer zu erkennen. Der Unterschied zwischen dem polnischen Nationalgefühl und dem deutschem Patriotismus ist dafür jedoch umso einfacher. In der Bundesrepublik „darf“ man sich seinem Stolz nach wie vor lieber nicht zu laut bekennen.  Selbst die Bundeskanzlerin und andere Parteien sind mit Komplimenten gegenüber dem Land ihrer Untertanen sehr knauserig. Die polnische Regierung hingegen befürwortete sogar die rechten Proteste im Jahr 2018 und hob das zuvor durch die oppositionelle Bürgermeisterin Warschaus verhängte Demonstrationsverbot wieder auf.

Deutschland feiert sich viel zu wenig selbst

Sobald man in Deutschland nämlich davon spricht, stolz auf sein Land zu sein, läuft man schnell Gefahr, in die obligatorische rechte Ecke einsortiert zu werden. Erinnern wir uns doch aber noch einmal rund 13 Jahre zurück: Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 fand in Deutschland statt. Im ausverkauftem Stadion in München eröffnet klassischerweise die Gastgebermannschaft vor fast 60.000 Fußballfans das Turnier. Die deutsche Elf ist überaus motiviert und schießt mit einem Endergebnis von 4:2 Gegner Costa Rica ins Nirvana. Die Bilder auf den Fernsehbildschirmen, die durch die Republik gehen und am nächsten Tagen die Zeitungen füllen, sind legendär. Die Menschen feiern zusammen, liegen sich glücklich in den Armen. Man hat zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr das Bedürfnis, sich dafür schämen zu müssen, wenn man sagt: Ich bin stolz darauf, Deutscher zu sein und hier zu leben. Aufgepeitscht durch die endlose Euphorie, die Menschen verschiedenster Herkunft miteinander friedlich feiern und freuen lässt.  Lahm, Klose und Frings vereinen durch ihre Tore eine ganze Nation und verpassen Bundestrainer Klinsmann Glückstränen vor laufender Reporterkamera.  

Die Zeit des schlechten Gewissens ist vorbei

Doch warum schläft so etwas wieder ein? Ja, Deutschland hat es mit dem Nationalstolz nicht leicht. Eine Generation, von der im Jahr 2019 nur noch wenige tausend Menschen überhaupt noch lebt und zudem schon enorm alt ist, hat leider einen bleibenden Ruf hinterlassen. Dabei gibt es genug Gründe, sich zu freuen, hinter seinem Land zu stehen. Zum einen sind es die Grundbedürfnisse, die uns glücklich machen sollten: In Deutschland müssen wir weder Hungersnot noch Krieg fürchten, verfügen über ein solides Sozial- und Krankenkassensystem und werden nicht in jedem Sommer von einem Tsunami überrollt, dessen Folgen gesamte Existenzen bedrohen. Zudem fertigt die deutsche Industrie in sämtlichen Bereichen großartige, qualitativ hochwertige Erzeugnisse, die man in der gesamten Welt zu schätzen weiß. Die deutsche Logistik leistet jedes Jahr Höchstleistungen, indem sie rund 5,12 Millionen neu gebaute Autos zu den Kunden bringt, 8,7 Milliarden Liter Bier von den Brauereien in alle Welt verschifft und mit dem Transport von 1,4 Millionen Tonnen deutscher Schokolade Kinderaugen zum Leuchten bringt. Keine andere europäische Gesamtindustrie ist in den letzten Jahrzehnten so sehr gewachsen wie die der Bundesrepublik Deutschland.

Wo hört Patriotismus auf und fängt Nationalstolz an?

Der gesunde Mittelweg scheint eine vernünftige Lösung zu sein, ist aber alles andere als einfach zu realisieren. Ein übertriebener Nationalstolz kann mit seinen Auswirkungen des generellen Fremdenhasses mit unserer erlebten Geschichte niemals eine ernsthafte Option darstellen. Doch es sollte auch Zeit sein, sich nicht mehr zu verstecken, das sollte man sich klar und deutlich vor Augen halten. Betrachtet man es auf neutrale Weise, sind in jedem Land auf dieser Welt, die wir uns nun mal mit vielen anderen Menschen teilen, gemeinsame Werte, Vorstellungen und eine ausgeprägte Identifikation mit seiner Herkunft ganz normal. Jeder Italiener, jeder Spanier, jeder Schwede, Finne oder Russe identifiziert sich mit den Werten und Ansichten aus seinem Heimatland. Wenn das über zu lange Zeit fehlt, drohen Identitätskrisen und ein mangelnder Zusammenhalt. Deswegen feiert Ungarn am 23. Oktober den Beginn des ungarischen Volksaufstandes, am 25. Oktober darf sich ganz Kasachstan über die Erklärung der Souveränität gegenüber der Sowjetunion freuen und die Tschechen sind an jedem 28. Oktober froh über die Proklamation der Unabhängigkeit der Tschechoslowakei von Österreich-Ungarn.

Und auch im Norden gibt es Nationalfeiertage: Lettland hat den 18. November zum Ehrentag bestimmt, um die Unabhängigkeit vom russischen Zarenreich zu begehen, Finnland folgt am 6. Dezember mit den Feierlichkeiten ihrer Unabhängigkeit (ebenfalls von Russland). Und auch Deutschland hat das Recht, dieses Land mit seinen gesellschaftlichen Vorzügen, den wunderschönen Landschaften und Gegenden sowie der innerdeutschen Einheit zu feiern. Der 3. Oktober bietet sich dafür doch perfekt an.

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